Die US Leitzinsen werden wohl früher steigen als vom Markt bisher antizipiert. Dies ging aus dem letzten US Notenbankprotokoll der FED hervor, welches die Marktteilnehmer bezüglich deren Zinseinschätzung etwas wachgerüttelt hat. Ende April war die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschritt im Juni noch bei 12% und nach der Veröffentlichung des Protokolls stieg diese auf 30%. Der Zinsausblick hat die Aktieninvestoren nur kurzfristig verunsichert, weil positive Wirtschafsdaten offenbar im Moment wichtiger erscheinen als tiefe Zinsen. Auch von den Rohstoffmärkten erhielten die Anleger Rückenwind. Der Ölpreis gewann im Mai nochmals 6.9% dazu, was seit dem Jahrestiefst einem Rallye von über 87% entspricht. Bezüglich des BREXIT Votums im Juni scheinen die Anleger gelassen zu sein. Die Umfragen sind volatil aber die vergangenen Daten tendieren vermehrt auf einen Verbleib des Königreichs in der EU hin, da viele Wähler wohl nicht mit der Unsicherheit des neuen Status bei einem BREXIT konfrontiert werden wollen. Aus Protest hingegen, scheint eine Überraschung am 23. Juni nach wie vor möglich auch wenn die englische Wirtschaft bereits im Vorfeld der Abstimmung mit schwachen Daten den Proeuropäern in die Hände spielt: Unternehmensmanager stellen kaum noch neues Personal ein und halten sich mit Investitionen zurück.
Die wichtigsten Aktienbarometer konnten zwar zulegen, jedoch kann nicht von sehr breiten Avancen gesprochen werden. Der italienische Markt als Beispiel verlor im Mai mehr als 3%, der Dow Jones stagnierte und der brasilianische BOVESPA rutschte mehr als 10% tiefer nachdem die Euphorie um den Regierungswechsel abflachte. Der Nikkei225 verringerte den Verlust seit Jahresanfang auf noch -9.45% und die Schweiz notiert nach Dividenden noch immer knapp 4% unter dem Stand des Vorjahres. In der Schweiz profitieren die Pharmatitel von positiven Studiendaten und Zulassungserfolgen von Roche. In den USA profitierte der Bankensektor von der steigenden Zinserwartung während der klassische Einzelhandelssektor nach katastrophalen Zahlen von Macy’s, Kohl’s und anderen regelrecht einbrach. Der Einfluss des Onlinehändlers Amazon macht den Kaufhausketten zu schaffen. Betrachtet man die Positionierung und Stimmung am Aktienmarkt, so stellt man fest, dass viele Marktteilnehmer auf der Seitenlinie verharren. Der Anteil US-Investoren mit einer positiven Markteinschätzung rutschte auf ein neues 11-Jahrestief. Angesichts der politischen Risiken (US Wahlen & BREXIT) scheint dies verständlich. Zudem dürfte das Gewinnwachstum in den USA erst im 3. Quartal wieder zurückkehren (siehe IM FOKUS).
Eine Erhöhung der US Leitzinsen im Vorfeld der BREXIT-Abstimmung scheint trotz dem jüngsten Weckruf eher unwahrscheinliche. Wir gehen davon aus, dass die FED die Abstimmung abwarten wird und bei weiter guten Wirtschaftsdaten frühestens im Juli oder September den nächsten Schritt wagen dürfte. Diese Annahme gründet auch darauf, dass sich die Inflation in den USA bisher nur zaghaft dem Ziel von 2% annähert. Griechische Schuldenpapiere profitierten von der Schnürung der neuen Tranche des Hilfspaketes. In der Schweiz und Japan werden Gläubiger nach wie vor mit negativen Kapitalmarktrenditen bestraft. Betrachtet man ferner die reale Rendite des Deutschen Bund (10 Jahre), so resultiert auch dort eine negative Rendite von -0.6% p.a.
Das USD Rallye hat im vergangenen Monat wieder Fahrt aufgenommen. Der breite USD Index gewinnt 3% wobei die stärksten Gewinne innerhalb der G10 vor allem auf den Rohstoffwährungen AUD, CAD und NOK realisiert wurden. Der JPY verlor auch deutlich an Wert. In Japan wird die geplante Mehrwertsteuererhöhung angesichts der verhaltenen Wirtschaftsdaten verschoben, was sich positiv auf die Investorenstimmung ausgewirkt hat. Der Schweizer Franken nähert sich zum USD wieder der Parität.
Ein dezidierter Ausblick ist auf Grund der stark politisch gefärbten Landschaft schwierig. Wir gehen davon aus, dass sich die Briten am 23. Juni für den Status Quo entscheiden. Dies würde die Planbarkeit erhöhen und sich positiv auf die Stimmung der Investoren auswirken. Mit der Rückkehr des US-Gewinnwachstums im 3. Quartal, tiefen Zinsen und langsamem Wachstum führt am Ende wohl doch wieder kein Weg an Aktien vorbei. Mit jedoch relativ hohen Aktienbewertungen in den USA, strukturell anfälligen Emerging Markets und hoher Privatverschuldung in China wird die Navigation im globalen Umfeld auch in den kommenden Monaten zum schwierigen Balanceakt für die weltweiten Entscheidungsträger. Solange die laufende USD Aufwertung nicht erneut zu starken Verwerfungen führt, wollen wir die Wiederaufnahme von Risiken in selektiven Märkten wieder prüfen.