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Allgemein

Im Dezember drehte die Stimmung einmal mehr und die Finanzmarktteilnehmer kamen zur Einsicht, dass die anhaltend global straffe Geldpolitik und die zunehmende Rezessionsgefahr wenig erbauliche Perspektiven für Risikoanlagen bieten. Bei den Aktien wurden in erster Linie Wachstumswerte in den USA abgestossen. Nebst der US-Notenbank hoben auch die EZB, die Bank of England sowie die SNB die Zinsen um 50 Basispunkte an und signalisierten weitere Zinserhöhungen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte, dass die Zinsen noch signifikant und stetig ansteigen müssen, um das mittelfristige Inflationsziel von 2% zu erreichen und dass eine Rezession im Jahr 2023 kurz und milde ausfallen dürfte. Es ist eher selten, dass die Zentralbanken offen über eine kommende Wirtschaftsabschwächung sprechen, doch mittlerweile hält auch die US-Notenbank wegen derer anhaltenden Inflationsbekämpfung eine US-Rezession offenkundig für möglich. Eine deutliche Abkühlung der Wirtschaft würde den Notenbanken in ihren Mandaten nur entgegenkommen – auch wurde historisch eine solch hohe Inflation nie ohne scharfe Rezession gebändigt.  Die Wirtschaftsdaten in den USA zeugen noch immer von einem straffen Arbeitsmarkt und geben der Notenbank wenig Spielraum für eine lockere Geldpolitik, insbesondere dann, wenn die Inflation weiterhin über dem Lohnwachstum verharrt. Für die westlichen Zentralbanken kommt nun erschwerend hinzu, dass nach langem Zuwarten, die Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft, weltweit den Inflationsdruck eher wieder erhöhen dürfte. Im Dezember hat die Parteiführung weitere Lockerungsmassnahmen beschlossen. Derzeit wird das Land jedoch von einer heftigen Infektionswelle geplagt und eine Erholung wird daher wohl nur sehr verzögert ab frühestens Q2 2023 eintreten. Sollte im nächsten Jahr die Geldpolitik im Westen gleichzeitig pausieren oder gar, abhängig des rezessiven Schadens, wieder gelockert werden, so würden sich für Entwicklungsländer wie China, Brasilien, Indien und andere ein gutes Aktienumfeld abzeichnen. Umso mehr, weil diese Länder unter dem starken USD im vergangenen Jahr gelitten haben. Der Rückblick auf die Anlageklassen zeigt eine deutliche Divergenz bei den Aktien nach Regionen, Sektoren oder Stilen. Auch wird klar, dass es kaum ein Hort der Sicherheit gab, welcher für ein diversifiziertes globales Portfolio werterhaltend war. Vermeintlich sichere Anleihen verloren teils genauso oder sogar mehr als Aktien (siehe Fokus). Als Schweizer Franken Investor war man zudem wiederum einem stärkeren Franken ausgesetzt, alle Währungen ausser dem USD verloren gegenüber dem Franken deutlich an Wert.

Aktienmärkte

Trotz den Verwerfungen an den Aktienmärkten blieb die implizite Volatilität (gemessen am CBOE VIX Index) überraschenderweise relativ tief, ja sogar deutlich entspannt. Die größeren Ausschläge fanden zu Beginn des Jahres aufgrund der Zinswende sowie dem Krieg in der Ukraine statt – danach kehrte Ruhe ein und das „Angstbarometer“ notiert derzeit trotz desaströsem Bild bei den Aktien bei tiefen 21 (für Panik sprechen Werte über 40). Nachdem der Nasdaq Index für Jahre stets zu den besten Aktienindices gehörte, drehte das Bild im Jahr 2022 deutlich. Im Jahresvergleich lässt sich kaum ein relevantes Barometer finden, welches mehr eingebüßt hat. Die einstigen Technologiedarlings wie Amazon.com, Meta Platforms (Facebook), Alphabet (Google), NVIDIA oder auch Microsoft und Apple zählen im Jahr 2022 zu den größten Verlierern unter den groß kapitalisierten Börsenwerten. Nachdem die Technologiegiganten von der Pandemie massiv profitiert haben, scheinen diese mittlerweile mit Überkapazitäten zu kämpfen und sorgen derzeit für Schlagzeilen mit Entlassungsankündigungen. Tesla verlor über 69% des Börsenwertes und ist bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von über 26 immer noch deutlich höher bewertet als der Gesamtmarkt. Der Ausverkauf beim Automobilhersteller hat sich auf das Jahresende noch akzentuiert. Berichte wonach Tesla die Produktion in Shanghai reduziert als auch darüber, dass Tesla vermehrt Rabatte in den USA anbot, sorgten für diesen epischen Ausverkauf. Diese Entwicklung steht gegenüber einer euphorischen Rallye in den vorangehenden beiden Jahren 2020 – 2021 in welcher Tesla Inc. um 1‘163% anstieg. Solche Entwicklungen legen nahe, dass die in Teilen des US-Aktienmarkts eine Spekulationsblase geplatzt ist. Der Nasdaq notiert per 2022 -33% tiefer. Im Gegenzug gewinnt der englische FTSE 100 +2% (in Lokalwährung). Der Index ist dank seiner tiefen Bewertung und Sektorenstruktur besonders immun gegen höhere Zinsen und Rohstoffpreise. Ähnlich gilt dies für den Brasilianischen Bovespa, welcher stark Rohstoff lastig ausgerichtet ist. Generell haben sich Rohstoff- und Energiewerte gut behauptet. Beim Ausmaß der Rotation im Jahr 2022 aus den langjährigen Gewinnern der Technologiebranche in Öl- und Bergbaukonzerne ist die Frage ob ein gewisser „Regime-Shift“, in welchem die Gewinner strukturell besser Abschließen als die bisher gewohnten Leaders, mehr als legitim. Die Leadership in Anbetracht des neuen Zeitgeistes von „Net-Zero“ und der erhöhten Aufmerksamkeit über die Versorgungssicherheit der Staaten ergibt Sinn.

Zinsen

Die Zinswende sorgte für dramatische Verluste an den weltweiten Anleihenmärkten. Das inzwischen um 2-3% höher notierende Zinsniveau auf 10-jährigen Staatsanleihen prägt neu die Landschaft bei den Obligationen. Damit hat sich „TINA“ („There is no Alternative“), welche bei den Investoren in den letzten mindestens 10 Jahren für Kopfzerbrechen gesorgt hat und teils auch zu neuen riskanteren Unterfangen bewogen hat, vorerst definitiv verabschiedet. Dazu passt auch das Platzen der Krypto-Blase (Bitcoin in USD -64%, Ethereum -67%).

Währungen & Rohstoffe

Trotz der jüngsten Verluste war die USD-Stärke im ganzen Jahr die dominierende Kraft innerhalb des globalen Währungsgefüge. Wegen dem schon im frühen 2022 entschlossenen Vorgehen der US-Zentralbank, gewann dieser auf breiter Front gegen die G-10 Währungen hinzu. Am schwächsten notierte der japanische Yen. Die Bank of Japan ist eine von wenigen Ausnahmen im Kampf gegen die Inflation - der Leitzins verharrt stabil bei -0.1% und bis zur letzten Woche wurde beharrlich an der ultraexpansiven Geldpolitik festgehalten. Eine Überraschung folgte zum Jahresende mit der Anpassung der Zinskurvenkontrolle, welche leicht höhere langfristige Zinsen zulässt. Auch wird der amtierende Vorsitzende Haruhiko Kuroda per April 2023 zurücktreten und den Weg frei machen für eine womöglich neue Ära der japanischen Geldpolitik. Abhängig vom Nachfolger, könnte die japanische Geldpolitik damit in Zukunft etwas weniger «easy» definiert werden. Der potenzielle Nachfolger Hiroshi Nakaso ist eher skeptisch gegenüber einer zu lockeren Geldpolitik.

Ausblick und Themen für 2023

In vielerlei Hinsicht scheint das Gesamtjahr 2022 Ansätze liefern zu wollen, welche auf ein mögliches neues Regime hinweisen könnten. Eine Renaissance des Wachstums ausgehend von China könnte Impulse für zyklische Märkte und Rohstoffe liefern und dabei Aktiensektoren, welche schon im vergangenen Jahr gut abschnitten, weiter beflügeln. Die Balance zwischen Angebot und Nachfrage dürfte besonders in diesen volatilen Segmenten kurzfristig durch ein eher chaotisches Reopening in China und einer rezessiveren westlichen Konjunkturlandschaft getrübt sein. Mittel- bis langfristig dürften diese aber wichtige Rolle spielen - insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel und den gesteckten Nettonullzielen. Das Jahr 2022 hat zudem ferner offengelegt, dass das «Onshoring» aktueller bleibt, denn je. Umfragen grosser Firmen haben gezeigt, dass das Thema der Resilienz der Wertschöpfungsketten jeweils hoch auf den Agenden der Unternehmungen steht. Zusammen mit erhöhten geopolitischen Spannungen innerhalb der bipolaren Welt zwischen West und Ost dürften sich Unternehmungen vermehrt entlang ihrer Wertschöpfung besser diversifizieren wollen, um Abhängigkeiten zu vermindern. Dies steht im starken Kontrast zu den letzten Jahrzehnten der Globalisierung, bei welchen vornehmlich Effizienz und tiefere Kosten auf der Agenda standen. Die Pandemie hat die Nachteile der Globalisierung deutlich gemacht. Sofern es sich um ein nachhaltigeres Umdenken handelt, dürfte dies auch auf die langfristigen Inflationserwartungen einen Einfluss haben (inflationäre Tendenz). Auch zeigten sich im Jahr 2022 verbesserte Verhandlungspositionen der Arbeitnehmer, welche sich über Gewerkschaften vermehrt mehr Gehör verschaffen haben, um ihre Interessen nachzukommen. Die Akzeptanz von US-Gewerkschaften hat den höchsten Wert seit 1965 erreicht und zeigt, dass der Druck auf der Lohnseite anhalten dürfte - es sei denn, eine tiefe Rezession verändert die Machtverhältnisse zu Gunsten der Arbeitgeber wieder deutlicher. Für die Anlagen ergeben sich aus heutiger Sicht daher folgende interessante Anlagehemen, welche nachhaltig für Mehrwert im Portfolio sorgen dürften:

Klimawandel und Nettonull-Ziele: Die gesteckten globalen Bestrebungen, die Wirtschaft durch Förderung nachhaltiger Energien bis 2050 auf (netto) Null Treibhausgasemission zu bringen, wird massive Mengen an «grünen» Metallen benötigen. Hoch gehandelt werden in diesen Bereichen Kupfer, Nickel, Kobalt oder auch Lithium welche bei der Elektrifizierung der Weltwirtschaft unabdinglich sind. Prognosen für die Nachfrage von Kupfer rechnen mit einer starken Zunahme (bis zu einer Versechsfachung in den kommenden Dekaden). Abseits anderer technologischer Quantensprünge sind diese Metalle unverzichtbar für die Zukunft.

Fossile-Energien: Für die Übergangsphase werden fossile Energieträger weiterhin eine wichtige Rolle bei der Versorgung spielen. Die hohe Energiedichte dieser Energieträger machen diese weiterhin unverzichtbar und nötig, um keine massiven Wachstumseinbrüche in der Transition hinnehmen zu müssen. Dieser Bereich ist vor allem Interessant, weil trotz den Preisanstiegen bei Öl- und Gas die Förderkapazitäten kaum signifikant ausgebaut worden sind – eine Folge der Fehler in der Vergangenheit und einer damit einhergehenden Finanzdisziplin. Viele Firmen fokussieren sich auf Dividendenausschüttungen anstelle im regulatorisch unsicheren Umfeld neue Projekte zu erschließen. Die Nachfrage wird trotz Netto-Null Bestrebungen vorerst noch zunehmen – Deutschland hat gezeigt, wie schwierig es ist, sich von Fossilen Energien loszulösen – seit der Energiewende im Jahr 1980 besteht Deutschlands Primärenergie noch heute zu 77% aus fossilen Energien. Kurzfristig kommt hinzu, dass die USA ihre strategischen Reserven bald wieder auffüllen wollen, was für zusätzliche Unterstützung des Ölpreises spricht. Die geopolitischen Spannungen zwischen Russland und dem Westen sorgen zusätzlich für Angebotsengpässe bei Abnehmern aus dem Westen.

Landwirtschaft: Die Landwirtschaft spielt bei den Netto-Null-Bestrebungen eine Rolle. Wenn die Abholzung der Wälder gestoppt werden soll, müssen künftig auf der gleichen Anbaufläche mehr Lebensmittel produziert werden – die Weltbevölkerung dürfte bis 2037 auf bis 9 Mia. anwachsen und der Lebensstandard der Entwicklungsländer führen ebenso zu einer höheren Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten.

Bei diesen Themen gilt es, sich in einem erwartet schwierigen konjunkturellen Anlageumfeld 2023 mit Vorsicht voranzutasten. Denn die drohende Rezession aus den USA und Europa könnten durchaus für bessere Einstiegschancen in Zukunft sorgen – auf der anderen Seite dürfte das große chinesische Gegengewicht die Nachfrage eher bald wieder stützen. Wir werden dieses Jahr punktuell die einzelnen Bereiche mit unserem Fokus etwas näher betrachten. Für das neu angebrochene Jahr 2023 wünschen wir Ihnen viel Gesundheit und Zufriedenheit.

 

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