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Allgemein

Im Juli herrschte ein freundlicher Ton an den Finanzmärkten. Anleihen und Aktien konnten sich vom bisher schlimmsten Anlagemonat (Juni) wieder erholen, auch wenn global gesehen eher selektiv. Nach den starken Kursgewinnen in den Vormonaten, verloren die chinesischen Märkte im Juli deutlich an Wert. Dies, nachdem das Wirtschaftswachstum auf das tiefste Niveau seit der Pandemie fiel und erneute Berichte über ein hartes Durchgreifen der chinesischen Behörden im Technologiesektor die Runden machten. Die westlichen Notenbanken setzten die Zinserhöhungen wie erwartet fort. Die US-Notenbank erhöhte den Leitzins um weitere 75 Basispunkte auf 2.5% auf das höchste Niveau seit 2019. Für die EZB war es die erste Zinserhöhung seit 2011. Die Anhebung des Leitzinses um 0.5% fiel höher aus als vom Markt erwartet. Um die strukturell schwachen Länder (vor allem Italien) vor höheren Finanzierungskosten zu schützen, lancierte die Europäische Zentralbank jedoch gleichzeitig ein neues Kriseninstrument TPI «Transmission Protection Instrument», welches unbegrenzte Anleihenkäufe der Krisenstaaten ermöglicht. Damit haben insbesondere die hochverschuldeten Staaten wiederum kaum Anreiz ihre Staatsfinanzen in den Griff zu kriegen. Die Angst einer freien Marktbereinigung dominiert das Handeln der EZB, welche mit der eher spärlichen Anhebung des Leitzinses ironischerweise immer noch auf eine vorübergehende Inflation hoffen muss. In der Entwicklung des Ukrainekonfliktes zeigt sich kaum Entspannung. Die Nordstream 1 Pipeline ist zwar wieder aktiv aber läuft nur auf 20% der Kapazität, was die Energiekrise in Europa verschärft. Die EU-Staaten haben sich denn auch auf einen Gasnotfallplan, welche die Drosselung des Konsums vorsieht, geeinigt. Fehlt in Europa und v.a. Deutschland genügend Gas, so ist eine Wirtschaftskrise nicht auszuschliessen. Das Schicksal der EU-Konjunktur scheint vorerst in Putins Händen zu liegen, welcher das Gas als Druckmittel im Ukrainekonflikt einsetzt. Trotz diesem Hintergrund vermochten die europäischen Aktien zu einer Erholung anzusetzen – die Angst vor einem kompletten Aussetzen von Nordstream 1 war zuvor grösser. Die Gemeinschaftswährung tendierte angesichts der grossen Probleme sehr schwach und erreichte erstmals seit langem die Parität zum USD.

Aktienmärkte

Die Erholung war vor allem im US-Technologiesektor spürbar. Jerome Powells vorsichtige Kommentare zur US-Wirtschaft ließ die Fantasie nach einer langsameren Gangart der US-Notenbank in der Zukunft spürbar aufleben. Zudem berichteten die US-Technologiegiganten nicht ganz so schlechte Zahlen wie vom Markt befürchtet. Obwohl Microsoft die Gewinnprognosen verfehlt hat, erwartet der Konzern weiterhin ein doppelstelliges Umsatzwachstum für das Jahr 2023 und überraschte damit mit einem positiven Ausblick im getrübten Umfeld. Auch Alphabet holte die tiefen Verluste vor dem Gewinnausweis wieder auf. Die beiden Aktien notieren trotz allem noch rund 15-20% unter dem jeweiligen Vorjahreskurs. Enttäuschender fielen hingegen die Zahlen von Meta Platforms (Facebook) aus, welche erstmals ein Umsatzrückgang hinnehmen musste. Apple und Amazon.com rundeten die positiven Überraschungen in der Technologiebranche mit überraschend starken Quartalszahlen zusätzlich ab. Die noch junge Gewinnsaison ist entgegen allen Warnungen, dass die Analystenschätzungen zu hoch sind, bisher jedoch sehr freundlich verlaufen. Jerome Powell vermochte die Stimmung zusätzlich etwas anzuheben, indem er an der Medienkonferenz ein nicht mehr so ganz robustes US-Wirtschaftsbild beschrieb. Chinas Börsen gingen nach wochenlanger outperformance wieder in den gewohnten Modus über: Erneuter Regulierungsdruck, COVID-Lockdownängste und erhöhte Sorgen um den sozialen Frieden sowie der Finanzstabilität ließen die chinesischen Märkte einbrechen. Der Hang-Seng erlebte die schlimmsten Wochen seit März 2020 (Monatsverlust -7.8%).

Zinsen

Die Bondmärkte erholten sich wegen den Rezessionsängsten stark. Die Schweizer Eidgenossen rentieren wieder nur 0.4%, nachdem Sie vor wenigen Wochen noch über 1.5% p.a. abwarfen. Für die kommenden US-Notenbanksitzung im September und November rechnen die Märkte mit weiteren Zinsschritten. Jedoch dürften „Jumbo-Schritte“ von 75 Basispunkten wohl hinter uns liegen. Nach wie vor ist jedoch unklar, wie viel restriktiver die Geldpolitik ausgestaltet werden muss, um die Inflation zu zähmen. Historisch ist eine Bekämpfung einer solch hohen Inflation ohne Rezession sowieso ein schier unmögliches Unterfangen und die Wahrscheinlichkeit, dass die Notenbank eine solche provoziert, ist eher hoch. Die Idee vom Softlanding ist bekannterweise ein Wunschdenken und dass die Inflation schnell auf ein vertretbares Level zurückkommt, ist angesichts neu entstandener Trends zur Diversifikation der Lieferketten und Onshoring keine einfache Prognose (siehe FOKUS).

Währungen / Rohstoffe

Der EUR ist die schwächste wichtige Währung für den Monat. Gegen den USD verlor die Gemeinschaftswährung fast 3% und fiel teilweise unter die Parität. Die Währung dürfte weiter an Boden verlieren, solange die Energiekrise und Inflation nicht im Griff sind. Die zu lasche Politik der EZB vergrössert den Abstand zum restlichen Westen, welcher viel betonter gegen die Inflation vorgeht.

Ausblick

Wir bleiben angesichts der durch die Inflation und den Krieg hervorgerufenen kolossalen Herausforderungen nach wie vor vorsichtig positioniert und verlagerten unsere relativen Gewichte zu Gunsten den USA. Trotz der Konsenserwartung einer Rezession der grossen Wirtschaftsräume Europa und USA, wären die Gewinnerwartungen abhängig der Tiefe einer möglichen Rezession eher noch zu hoch. Die Spuren der Inflation dürften sich nur mit Verzögerung im Konsumverhalten wiederfinden und Europa steht vor einer möglichen immensen Verstärkung der Energiekrise, sollte nicht genug Gas fliessen, um den Bedarf über das zweite Halbjahr zu decken. Die vom Markt gespielte Erwartung einer baldigen Trendumkehr der US-Notenbankpolitik erachten wir zudem als etwas überstürzt, insofern kaum Anhaltspunkte einer sich genügend abkühlenden Inflationsentwicklung vorhanden sind, bei welcher die FED einen expansiveren Kurs fahren könnte. Die Visibilität im aktuellen Umfeld bleibt tief. Wir haben entsprechend europäische Risiken reduziert und die Aktienselektion breiter und defensiver ausgerichtet.

 

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