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Allgemein

Die Nervosität an den Finanzmärkten blieb auch im Mai bestehen. Nach anfänglichen grossen Verlusten starteten die weltweiten Aktienmärkte zum Monatsschluss eine deutliche Erholung. Die bisher dominierenden Inflationssorgen wichen den Wachstumssorgen. Die Erwartungen einer strafferen US-Geldpolitik blieb zwar erhalten, flachte aber mit den Wachstumssorgen ab. Vermehrt deuten die globalen Wirtschaftsdaten auf schwächeres Wachstum in den kommenden Monaten hin. Die von Citigroup erhobenen Economic Surprise Indizes unterstreichen dies eindeutig – für Europa oder die USA zeigen diese vermehrt südwärts, was bedeutet, dass die effektive wirtschaftliche Entwicklung von den Prognosen abweicht. Trotz dieser deutlicheren Schwächesignale im makroökonomischen Ausblick, welche zusätzlich von schlechten Einzelhandelsergebnissen der führenden US-Händler begleitet werden, sieht der Analystenkonsens für den US-Aktienmarkt nach wie vor ein Gewinnwachstum von über 10% (!) und kaum eine Margenerosion (siehe FOKUS). Das stärkste Wachstum wird nicht überraschend beim Energiesektor erwartet (+106%), das Schwächste hingegen bei den Finanzwerten (-11%). Eine rekordhohe Anzahl an US-Unternehmungen zitieren zudem die Ukraine in den Gewinnberichten, obwohl der Markt selbst für die Firmen kaum relevant ist. Dies zeigt, dass der Leidensdruck der Inflation gerne hauptsächlich dem Krieg zugeschoben wird oder es für die CEOs generell eine willkommene Begründung für einen vorsichtigeren Ausblick ist. Schon vor dem Kriegsbeginn waren höhere Rohstoffpreise und steigende Löhne ein Belastungsfaktor. Eine dringend benötigte Entspannung bei den Energie- oder Nahrungsmittelpreisen ist ferner weiterhin nicht in Sicht. Der anhaltende Krieg in der Ukraine sorgt für Knappheiten und verstärkte Lieferschwierigkeiten für Weizen sowie erhöhte Energiepreise. Die restriktive COVID-Politik der Chinesen befeuern das Lieferkettenproblem weiter. Die US-Notenbank erhöhte den Leitzins im Mai wie erwartet um 50 Basispunkte innerhalb eines der aggressivsten Erhöhungszyklus seit dem Jahr 2000.

Aktienmärkte

Der Schweizer Aktienmarkt SMI verlor für einmal deutlich stärker im globalen Kontext (-4%). Die Aktien von Nestlé kamen nach den enttäuschenden Gewinnausweisen von Target Corp. und Walmart Inc. unter Druck. Die Genussscheine von Roche verloren rund -10% wegen enttäuschenden Studienresultaten zu deren neuen Lungenkrebstherapie. Der von den dominierenden US-Einzelhändlern veröffentlichte Zahlenkranz war das Spiegelbild des von hoher Inflation geplagten US-Konsumenten, welcher wegen den höheren Preisen bei Lebensmitteln und Benzin weniger für die profitableren Kategorien wie Kleidung oder Wohnbedarf übrig hat. Ebenso bekundeten die Einzelhändler Mühe, die gestiegenen Energie- und Transportkosten schneller an die Kundschaft weiterzugeben, was auf den Margen lastete. Die Aktien von Walmart verloren an einem Tag über -11%, jene von Target büssten fast einen Viertel ein. Von der neuen Sparsamkeit des US-Konsumenten profitierten hingegen die Billigwarenhändler Dollar Tree oder Dollar General, welche beide die Gewinnerwartungen übertroffen haben. Die US-Aktienmärkte schlossen, nach einem selten gesehenen Seilziehen dank einer Aufholjagd, uneinheitlich (S&P 500 +0.01%, Nasdaq -1.65%). Der Dow Jones Industrials Index legte vor dem Zinsentscheid der Notenbank den besten Tag des Jahres auf das Parkett, nur um am Folgetag den grössten Jahresverlust zu verbuchen. Das Nebenwertesegment in der Schweiz gemessen am SPI Extra reduzierte den zeitweise extremen Monatsverlust von
-8% auf noch -3.8%. Für die Erholung gegen Ende des Monats dürften auch die Rebalancings der Fonds und Pensionskassen in den USA geholfen haben – JP Morgan schätzt ein Volumen zwischen $34 bis $56 Milliarden, welches gegen Ende Monat in den USA reinvestiert werden musste.

Zinsen

Wegen der Wachablösung zwischen den beiden Hauptsorgen - Inflation durch Wachstum - sanken die Zinsen von deren Höchstständen mehrheitlich deutlich, was sicherlich auch zur Aktienerholung beitrug. Mit den Hiobsbotschaften auf der Konjunkturfront fielen auch die Inflationserwartungen etwas zurück. Noch ist es jedoch zu früh, um schon von einem FED Pivot zu sprechen – die US-Notenbank wird am historisch schnellen Straffungszyklus festhalten, solange sich die Zeichen einer Verlangsamung der Inflation nicht mehren oder erhöhte Rezessionsgefahr besteht. Für den Juni und Juli sind somit weitere Zinserhöhungen im Umfang von je 50 Basispunkten zu erwarten.

Währungen / Rohstoffe

Nach unnachgiebiger Stärke im Jahresverlauf verlor der USD bedingt durch die Wachstumssorgen und die damit gesunkenen Erwartungen an die Geldpolitik deutlich an Wert. Zuvor erreichte der USD erstmals seit 2019 die Parität zum Schweizer Franken, bevor deutliche Abgaben den Wechselkurs auf Ende Monat wieder unter 96 Rappen drückten. Preise für Öl und Gas kletterten abermals weiter (WTI +9.5%, Nat Gas+11%). Das Buschel Weizen gewann zweitweise bis zu 11%.

Ausblick

Die Stimmung der Anleger ist noch immer pessimistisch. Die Umfragewerte divergieren aber mit den Positionierungen. Trotz Ausverkauf an den Finanzmärkten stellt man fest, dass die Spekulanten in den USA kaum Absicherungspositionen halten (siehe FOKUS). Insgesamt ergibt sich daher aus dem Sentiment und den Positionierungsdaten kein eindeutiges Bild. Wir leiten daraus ab, dass die bereits laufende Erholung nur von temporärer Natur sein dürfte, insofern wir keine substanzielle Beruhigung der leitenden, in sich einander greifenden Themen Inflation, Geldpolitik und Lieferketten beobachten. Ferner sind die Bewertungen nur verhalten günstig, sofern sich die optimistischen Wachstumsschätzungen der Analysten erzielen lassen - was wir derzeit mit Vorsicht beurteilen.

 

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